Als Mutter von einem Kindergartenkind wird man in ganze neue Welten eingeführt, so z.B. auch zu Elternvollversammlungen eingeladen, in denen die „Erziehungs- und Management-Tools“ des Kindergarten-Alltags vorgestellt werden.
Als Personalberaterin sind Begriffe wie Performance Management und Management by Objectives ja durchaus gängige Themen, aber gestern habe ich nun gelernt, dass auch Kleinstkinder mit Zielvereinbarungen, Sprachanalyse-Bögen und Talent Portfolios eingestuft und gefördert werden. Erstmal irritierend, von einigen Eltern auch schockierend zur Kenntnis genommen („Erzeugt das nicht zu viel Druck auf die Kinder?“), letztendlich aber eine interessante Entdeckung, die ich einfach mal sortieren muss.
Unsere Kinder werden definitiv sehr früh auf die Welt des Wettbewerbs, auf das pflichtbewusste und beharrliche Verfolgen von Zielen und auf die Einsortierung der eigenen Persönlichkeit in ein Schema vorbereitet. Das wird im Grunde auch mit Personalmanagement im Unternehmen verfolgt: Talente identifizieren, Leistungslücken oder Lerndefizite durch gezielte Förderung schließen und durch ambitionierte Ziele zu besseren Ergebnissen kommen. Genau so lautete auch die Schlussfolgerung der Pädagogen: durch die genauen Beobachtungen der Kinder, die Erstellung von Portfolios usw. wollen wir Lernschwächen aufdecken und fördern. An sich ist das ein guter Gedanke, die Kinder in gewisser Weise auf das spätere Leben und den Gedanken der Leistungsgesellschaft vorzubereiten, aber ein bisschen beängstigend finde ich das Konzept für die 2- und 3-jährigen doch.
Der steigende Druck, den viele im Arbeitsleben wahrnehmen, nicht zuletzt aufgrund von hoch gesteckten Anforderungen und Zielen, muss doch nicht schon im Sandkasten-Alter auf die Schulter der Kinder geladen werden. Die Frage, die sich stellt, ist ja schließlich: was passiert, wenn Ziele nicht erreicht werden? Wenn mein Kind nicht die üblichen Entwicklungsschritte einschlägt, andere Interessen als die vorgegebenen hat? Dann würde das System theoretisch Konsequenzen daraus ziehen müssen, oder? Sonst brauche ich ja keine Ziele. Wer also nicht schnell genug trocken wird, Buchstaben zuordnen kann oder sein Frühstück teilt, bekommt eine schlechtere Bewertung und muss nachsitzen oder einer anderen Gruppe zugeteilt?
„Erzeugt das nicht zu viel Druck auf die Kinder?“
Spannend ist jetzt die Frage, wie Mitarbeiter im Berufsalltag eigentlich damit umgehen und möglicherweise ähnliche Fragen wie im Kindergarten zu diesem Thema auftauchen. Zielvereinbarungen sind seit es sie gibt ein heiß diskutiertes Thema. Ein Führungsinstrument, dass gesunden Druck und Ansporn erzeugen soll, aber in vielen Fällen auch ungesund auf das Arbeitsklima wirkt. Das ist vor allem immer dann der Fall, wenn Mitarbeiter anhand von Zielen gemessen werden, die sie selbst gar nicht vollständig beeinflussen können und damit nur bedingt den Erfolg ihres Handelns beeinflussen können. Dann spielt es natürlich noch eine Rolle, wer die Ziele eigentlich steckt.
Wirklich motivierend können nur die Ziele sein, an denen ich auch ein eigenes Interesse habe, diese zu erreichen. Ansonsten ist der Weg zum Ziel einfach nur eine mühselige, nervige Aufgabe, die nur permanenten Leistungsdruck erzeugt. Und wer sagt mir dann am Ende, ob das Ziel auch tatsächlich erreicht ist? Voraussetzung dafür ist, dass mein Ziel sich überhaupt zahlenmäßig oder anhand sehr klar definierter Kriterien messen lässt. Und diese Kriterien müssen vorab festgelegt und kommuniziert werden, damit die Zielverfolgung kein Glücksspiel wird. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann Zielverfolgung Spaß machen und auch ein Ansporn für persönliches Wachstum und Reife sein.